Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08. 10. 2013 Als Voltaire zu Boden ging Zwei Einführungen in die Ökonomie – die "düstere Wissenschaft" Kann man über die Geschichte der Ökonomie auf 128 Seiten schreiben? Ja, man kann, sagt Heinz D. Kurz und verweist, et-was frivol, auf den großen Österreicher Joseph Schumpeter. Dessen "Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte" von 1914 behandelte das ökonomische Denken von der Antike bis zur damaligen Gegenwart auf ganzen 100 Seiten. Wenn dies damals möglich war, so müsste man heute auch auf 28 Seiten extra die Entwicklung seither würdigen können. Heinz Kurz ist einer der besten Kenner der Dogmengeschichte unter den Ökonomen deutscher Sprache. Er lehrt Volkswirtschaft an der Universität Graz und leitet dort das Graz Schumpeter Centre. Vor fünf Jahren brachte er das ehrwürdige Standardwerk "Klassiker des ökonomischen Denkens" neu heraus. Dogmengeschichte ist ein krass unterschätzter Zweig der Wirtschaftswissenschaften. Amazon.de:Customer Reviews: Mr. Smith und das Paradies: Die Erfindung des Wohlstands. Noch heute verlassen viele junge Volkswirte die Universitäten, ohne sich jemals ernsthaft mit David Ricardo, Eugen Böhm-Bawerk oder Karl Marx befasst zu haben.
Leider muss man die Hoffnung enttäuschen, es sind ihm dicke Fische durchs Netz geschlüpft: der Monetarismus wird nur kursorisch be-handelt, auch Friedrich August von Hayek, der große Liberale, wird zwar erwähnt, die meisten Ideen aus seinem Hauptwerk "Verfassung der Freiheit" kommen aber nicht vor. Vernachlässigt wird auch Ludwig von Mises, ohne den viele politische Debatten heute in Amerika nicht zu verstehen sind. Der große Vorteil von Kurz' Bändchen liegt darin, dass es die Leser an viele meist vergessene Theorien und Denkschulen heranführt, oft auf überraschende Weise. Dem Merkantilismus etwa, der im 17. und 18. Jahrhundert die Politik an Europas Königs- und Fürstenhöfen beherrschte, bescheinigt Kurz einen rationalen Kern, zu-mindest insofern als es sinnvoll sein kann, Edelmetalle in einer Welt anzuhäufen, in der Gold das "Gut der Güter" ist. Kurz geht auf den Kameralismus ein, die Form des Merkantilismus, die sich in den deutschen Kleinstaaten herausgebildet hat. Mr. Smith und das Paradies: Die Erfindung des Wohlstands by Georg von Wallwitz. Es ist die Kunst, auch unter widrigen Umständen die Kasse des Fürsten zu füllen.
Der Streit habe dazu geführt, dass Voltaire nach England reiste, dort die Vorzüge des Kaufmannsgeistes kennenlernte und unter diesem Eindruck die "Philosophischen Briefe" schrieb. Diese seien zwar keine politische Ökonomie, aber sein politisches Denken habe seit dem England-Besuch "das ökonomische Motiv in sich" getragen, schreibt Wallwitz. "Mehr als jeder andere trug er dazu bei, in den Köpfen das Paradies durch den irdischen Wohlstand zu ersetzen. " "Wer nur ein Ökonom ist, kann kein guter Ökonom sein", schrieb einst Hayek. Ökonomen sollten, wenn sie ihre Aufgabe ernst nehmen, auch etwas von Recht, Politik, Geschichte, Gesellschaft und auch Literatur verstehen. Mr. Smith und das Paradies: Die Erfindung des Wohlstands : Georg von Wallwitz: Amazon.de: Bücher. In diesem Sinne mag Wallwitz manchem Ökonomen den Blick erweitern. Er lässt nicht nur die Ökonomie mit Voltaire beginnen, er erklärt das Beharrungsvermögen alter Strukturen anhand von Anton Tschechows "Kirschgarten", er leitet von Honoré de Balzac die Anfänge des Sozialismus ab, und schließt von Fried-rich Nietzsche zu Schumpeters heroischem Unternehmer.
198 S. HLn. *neuwertig* Gier, Angst und Schrecken Und dann auch noch der Homo oeconomicus!
Wenn Georg von Wallnitz fragt "Wie viel darf man den Jungen wegnehmen und den Alten geben, bevor es sich um einen Verstoß gegen die Generationengerechtigkeit handelt? Ist die Anhebung des Renteneintrittsalters eine Gemeinheit oder nur gerecht? Sind flexible Arbeitsmärkte ein Mittel der Ausbeutung oder eine Möglichkeit, junge Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren? ", dann ist der Versuch Antworten darauf zu finden mehr als eine Abfolge von Statistiken und Rechenmodellen. Es ist statt dessen ein locker leichtes Philosophieren über Geld und Wohlstand, angereichert mit literarischen Einflechtungen und Zitaten von Schiller über Victor Hugo bis hin zu Charles Dickens. Dem Autor ist es gelungen ein leicht zu lesendes Werk darüber zu schreiben, wie die Wirtschaft zu dem geworden ist, was sie heute darstellt. Worin ihre größten Fortschritte bestehen und wie sie doch immer ein Spiegel und Ausdruck ihrer Zeit war und ist. Und ein Satz aus diesem Buch sollte zum Glaubenssatz für möglichst viele Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft werden: "Zweck der Ökonomie ist nicht nur die Erhöhung der Produktivität, sondern in erster Linie die Schaffung der Bedingungen für ein anständiges Leben.
Frech formuliert, mit überraschenden Analogien und Sprachspielen, wird hier vergnüglich und kritisch die Entwicklung der modernen Wirtschaftstheorie anhand der wichtigsten "Klassiker" vorgestellt, so kurzweilig, dass man als Leser/-in bei der Stange bleibt. Die einzelnen Theoretiker werden biografisch skizziert, dann wird ihre Theorie auf den Punkt gebracht, oft auch in Antagonismen zu anderen Theoretikern. Grundlegende Entwicklungslinien wirtschaftstheoretischen Denkens werden so dargelegt und leicht rezipiert. Gut geschriebene populäre Bücher zu diesem Thema sind selten, S. Nasars Werk "Markt und Moral" (ID-G 51/12) beispielsweise ist umfangreicher und dennoch in der Darstellung weniger zugänglich. Der Verfasser, ein Fondsmanager, wurde schon mit "Odysseus und die Wiesel" (ID-B 33/11) gut bewertet. Das Buch bietet bei hervorragender Ausstattung (Fadenheftung) ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. (2) (Jürgen Plieninger)
Wenn wir bei einer Buchbesprechung einen Titel aus der üblichen Rubrik heraus heben und in den redaktionellen Hauptteil der Bürgerlobby setzen, dann muss etwas besonderes passiert sein. So ist es denn auch geschehen, als das Buch von Georg von Wallnitz auf dem Redaktionstisch landete. Der studierte Mathematiker und Philosoph, der selbst mehrere Jahre als Investmentbanker tätig war, hat sich einen besonderen Blick auf die Wirtschaft- und Finanzwelt unserer Tage bewahrt. Und dass das so ist (und auch sein muss), das fordert er bereits auf den ersten Seiten seines Buchs, indem er im "Vorsatz" (was für eine schöne und doppeldeutige Wortwahl im Vergleich zum allgemein üblichen "Vorwort") auf einen Ausspruch des französischen Journalisten und Staatsmannes Clemenceau eingeht, der gesagt hat, "Der Kriegs ist viel zu wichtig, um den Generälen überlassen zu werden". Diesen Satz überträgt von Wallnitz auf die Ökonomie und sagt "Die Wirtschaft ist viel zu wichtig, um sie den Ökonomen zu überlassen. "