Zur Zeitreise geriet die Koproduktion der Münchner Kammerspiele "Wir Schwarzen müssen zusammenhalten – Eine Erwiderung" mit dem togoischen Autor Elemawusi Agbédjidji. Bei einem Freundschaftsbesuch des damaligen togoischen Präsidenten Gnassingbé Eyadéma sagte der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß in den 1980er-Jahren: "Wir Schwarzen müssen zusammenhalten". Eine erschreckende Aussage, die den Auftakt für die gemeinsame Stückentwicklung bildete, steht das Zitat doch symptomatisch für die bisher verdrängte Aufarbeitung der postkolonialen Verantwortung Deutschlands. Das Bestreben, eine Erwiderung zu entwickeln, führte alle Beteiligten an die kolonialen Originalschauplätze in Togo. Wir schwarzen müssen zusammenhalten 3. Ein Interview mit dem togoischen Autor Elemawusi Agbédjidji. Herr Agbédjidji, die Entwicklung des Stücks erstreckte sich über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr und über zwei Kontinente, während eine weltweite Pandemie herrscht. Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den Münchner Kammerspielen erlebt?
CHRISTIAN RAKOW, NACHTKRITIK, 21. MÄRZ. 21 "Gockels togolesisch-deutsche Koproduktion ist eine überbordendes Patchwork-Kunsterlebnis, kein abgefilmtes Theater, sie ist irre, witzig, klug und voller Zorn. " EGBERT THOLL, SZ, 22. 2021
Was, glauben Sie, kann getan werden, um in der deutschen Öffentlichkeit eine andere Wahrnehmung zu erreichen? Das ist, wenn überhaupt, eine rein deutsch-deutsche Frage beziehungsweise Problematik. Und was wäre der Grund, so etwas zu versuchen? Falls es einen gibt, würde ich sagen, dass das nur über die Erziehung möglich ist, wie auch bei allen Vorurteilen im Zusammenhang mit Geschlecht, sexueller Orientierung und Hautfarbe. Welchen Einfluss hat die Kolonialgeschichte Togos auf Ihre Arbeit? Zunächst einmal hat Togo als räumliche geopolitische Einheit seinen Ursprung in der Kolonisation. Das heißt, Leute (Europäer*innen) haben sich in einem Büro in Berlin getroffen, mit Bleistift und Lineal ein paar Linien gezogen und gesagt: "Das ist Togo! Wir Schwarzen müssen zusammenhalten - Eine Erwiderung - Kammerspiele. ". Vor 1884 gab es dieses Togo also nicht. Aber Vorsicht, das bedeutet nicht, dass es auf den verschiedenen Gebieten keine Menschen in einem bestehenden, soliden gesellschaftlichen Gefüge gab. Und genau deshalb wäre es meiner Meinung nach wichtig gewesen, dass sich die verschiedenen Ethnien auf diesem Gebiet nach den "Un‑abhängigkeiten" auf etwas Tieferes, Menschlicheres besinnen, was die kulturellen und sozialen Realitäten und Verbindungen berücksichtigt, um das politische Konstrukt zu errichten.
Kurz darauf, im Jahr 1914, verteidigt der schwarze Funker Siegfried Gaba Bismarck (Komi Togbonou) mit Pickelhaube die damals weltgrößte Funkstation des deutschen Kaiserreichs in der deutschen »Musterkolonie« Togo. »Wir Schwarzen müssen zusammenhalten« - ein Stück der Kammerspiele. Mit seinem Signal ruft er die im schamanistischen Raumanzug aus dem Comic von Paulin Assem direkt zwischen den Ruinen der kolonialen Vergangenheit abstürzt und sich sogleich auf die Suche nach deren Schatten macht, beispielsweise deutschen Ärzten wie Robert Koch, die dort an unfreiwilligen Einheimischen neue Medikamente testeten, und später dann Franz Josef Strauß – hier als selbstherrlich grummelnde Marionette, geführt von Michael Pietsch. In sarkastischen Anekdoten beschwören sie zusammen die Zeiten, als der bayerische Ministerpräsident mit dem menschenrechtsverletzenden Machthaber Eyadéma und dem Rosenheimer Wurstwarenfabrikanten Josef März (Martin Weigel, dampfend in voller Eishockey-Montur) bei der Großwildjagd unheilige Allianzen schmiedete. Noch heute wird in Lomé im Gedenken daran ein Oktoberfest gefeiert und die deutsche Kolonialherrschaft im Vergleich zur französischen mitunter sogar nostalgisch verklärt, wie der togolesische Germanist und Kolonialhistoriker Kokou Azamede im Interview berichtet.
Aus den Gesprächen der Geisterjägerin und des Funkers mit Bismarck-Pickelhaube (Komi Togbonou), der sie zu Hilfe gerufen hat, ergeben manch spannende Anknüpfungspunkte zum Weiterrecherchieren, z. B. über die Menschenversuche von Claus Schilling, der diese Praxis aus der Kolonialzeit auch in NS-Konzentrationslagern fortsetzte, oder über den ebenso steilen Aufstieg wie Absturz des Rosenheimer Eishockey-Clubs, der von Strauß-Amigos gesponsert wurde. Wir schwarzen müssen zusammenhalten von. Deshalb kurvt auch Matthias Weigel im Eishockey-Trikot durch die Szenerie. Die Info-Häppchen werden launig serviert als Mash-Up aus Theaterfilm, Comic und Recherche-Material, bleiben aber ein unsortierter Zettelkasten, wie Barbara Behrendt im rbb-Kulturradio zurecht kritisierte. In den Mittelpunkt des Abends spielt sich die Franz Josef Strauß-Puppe, die mit O-Ton vom Band lospoltert und von Michael Pietsch, mit dem Regisseur Jan-Christoph Gockel seit vielen Jahren eng zusammenarbeitet, an Fäden geführt wird. Die unter den Schwierigkeiten des Lockdowns und mit Hilfe des Goethe-Instituts produzierte Arbeit des neuen Hausregisseurs Gockel erreicht leider nicht die Qualität einer thematisch verwandten Inszenierung: Auch "Die Revolution frisst ihre Kinder", das er 2018 für das Schauspielhaus Graz entwickelte, ist ein Hybrid aus Film, Theater und Puppenspiel und arbeitet afrikanisch-europäische Zeitgeschichte auf.
04. 2021: Praktisch für kleinere Touren.. Judith schrieb am 22. 11. 2020: Sehr schöner Rucksack, hat super und schnell geklappt!
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