Knusperinchen ist tot. Der Staubsaugerroboter war es nicht, der auf der Josefstädter Bühne schon seine Runden zieht, noch bevor das Gemetzel überhaupt beginnt. Der Hamster Knusperinchen wurde von Michel (Marcus Bluhm) ausgesetzt, in einem Akt der beiläufigen Brutalität. Ein Symbol für alles, was an diesem Abend bei Yasmina Rezas "Der Gott des Gemetzels" noch kommen wird, wenn sich zwei Elternpaare zur Besprechung der Parkrauferei ihrer Söhne treffen. Gut, Tote im engeren Sinn wird es nicht geben, außer ein paar geköpfter Tulpen, die in einem Ausbruch von verlagerter Gewalt dekorativ hysterisch von Annette (Susa Meyer) über die Bühne geschleudert werden. Sie und ihr Mann Alain (Michael Dangl) sind zu Gast bei Veronique (Judith Rosmair) und Michel, weil ihr Sohn dem Sohn der anderen zwei Zähne ausgeschlagen hat. Wie zivilisierte Erwachsene wollen sie die Angelegenheit auf Designersesseln zwischen Kunstbüchern klären. Theater in der Josefstadt: Der Gott des Gemetzels | Mottingers-Meinung.at. Wobei die zwischen Osterinsel-Gesicht und afrikanischer Maske oszillierende Riesenskulptur im Wohnzimmer von Michel und Veronique schon einen recht großen Schatten vorauswirft auf die Archaik, die sich hier im kalten LED-Licht bald entfachen wird.
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Der Inhalt des Stücks ist brisant: Es wird die Geschichte des Landwirts Franz Jägerstätter erzählt, der aufgrund einer Gewissensentscheidung den Wehrdienst im Zweiten Weltkrieg verweigert und somit zum Tod verurteilt wird. Er steht mit seiner Entscheidung letztendlich alleine da, sogar engste Angehörige distanzieren sich von ihm. Seiner Frau wird nach dem Krieg die Witwenund Waisenrente verweigert, weil "die von ihm gesetzte Handlung nicht als Einsatz für ein freies und demokratisches Österreich im Sinne des § 1 Opferfürsorgegesetzes 1947 zu werten ist" (Mitterer 2013, S. Der gott des gemetzels josefstadt le. 94). Erst spät kommt es zur öffentlichen Rehabilitation Franz Jägerstätters, mit dem Höhepunkt seiner Seligsprechung durch die katholische Kirche im Jahr 2007. Versucht man, eine Struktur hinter Jägerstätters Geschichte zu finden, lässt sich unschwer erkennen, dass es dabei letztlich um das Individuum geht, das die persönliche Gewissensentscheidung über die Verhaltensnormen des Kollektivs stellt, auch wenn dies schlussendlich seinen Tod bedeutet.