Doch das Geschäft scheint zur Mittagszeit zu dösen. Abends, wenn die Dämmerung eintritt, ist das anders. Ganz anders: An jedem Fenster über der Taverne steht dann eine Prostituierte und posiert, jedes Zimmer leuchtet farbig. Manchmal hebt eine von ihnen in Captain-Morgan-Pose ihren Fuß auf das Fensterbrett und präsentiert einen ihrer lachsfarbenen High Heels. Andere präsentieren stolz ihre für Transsexuelle typisch langen Beine und die mit Silikon aufgepumpten Hinterteile, die aussehen, als hätten sie zwei Kissen in ihre Hotpants gestopft. Und natürlich heben sie ihre riesigen Silikonbrüste für die Männer auf der Hundewiese hervor, die sich mittlerweile in Scharen aufgestellt haben. Darunter wieder biedere Bürger und Anzugkerle, aber nun auch stämmige Rockerkerle in Lederjacken und sichtbar kaputte Gestalten in zerrissenen Jeanswesten. Strassenstrich - Adressen in Hamburg. Und es kommt auch mal vor, dass ein roter Ferrari vor der Tür steht. Aber nicht jeder Freier muss die Prostituierten zuerst begutachten. Manchmal erkennt man Stammkunden schon aus 50 Metern Entfernung, wenn sie mit strammem und bestimmtem Gang, die Hände an den Rucksackschnallen, schnurstracks auf die Taverne zugehen.
Die Frauen können nicht zur Polizei gehen, weil ihnen die Pässe abgenommen wurden. Auch wird den Frauen gedroht, dass wenn sie nicht machen was die Zuhälter befehlen, der Familie im Heimatland etwas angetan wird. Das sind schreckliche Verhältnisse und die Heilsarmee versucht da etwas zu helfen, wo es möglich ist. Diorama im Massstab 1:87. Das Ritze Auto Modell habe ich selber beschriftet mit dem Text: Wir helfen mit Gottes Hilfe - Heilsarmee. Beachte auch das Plakat an der Häuserwand.
Zur Mittagszeit sieht man aber auch die Anwohner, die nichts mit der Transsexuellen-Szene zu tun haben. Was durch die Fokussierung auf die Taverne leicht vergessen wird: Die Schmuckstraße liegt ansonsten in einem ganz normalen Kiez. Wenige Meter weiter grenzt die Talstraße an, mit einem Budni, einem Getränkemarkt und diversen Handyshops. Und direkt neben der Taverne steht ein Neubau mit Wohnungen, in denen auch Familien leben. "Die blond gefärbte Transsexuelle raucht wie eine exzentrische Hollywood-Diva. " Als ich am Nachmittag auf dem Rückweg wieder an der Taverne vorbeigehe, stehen keine Freier mehr auf der Hundewiese. Die blond gefärbte Transsexuelle aber steht noch immer oben am Fenster, noch immer raucht sie wie eine exzentrische Hollywood-Diva. Wieder ein Zuruf, wieder auf Spanisch, wieder mit diesem herausfordernden Grinsen. Ich winke wieder ab und presse ein "Gracias" heraus, das mehr Deutsch als Spanisch klingt. Darüber muss auch sie herzlich lachen, sie wirft mir einen Kussmund zu und winkt zum Abschied.