Kindliche Ressourcen Die aktuelle öffentliche Diskussion über Kinderarmut konzentriert sich auf die Defizite und vernachlässigt den Blick auf das, was die Kinder können. Dabei hat die Mehrheit der Kinder - trotz der schwierigen Lebensbedingungen - noch großes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten: 89, 2 Prozent glauben, ihr "Leben wird richtig schön", 85, 1% denken, dass sie "viele Dinge gut können" und 70, 8 Prozent sind überzeugt, dass sie auch "Probleme lösen können". Diese Angaben zur Selbstwirksamkeit sprechen für das Potential, das Kinder mitbringen. "Damit die vorhandenen Fähigkeiten jedoch nicht verloren gehen, ist auch außerschulische Förderung, so genannte nicht-formale Bildung unentbehrlich", fordert Andresen. Denn alarmierend ist, dass immerhin fast elf Prozent bereits im Alter von sechs bis 13 Jahren glauben, ihr "Leben wird nicht richtig schön". Heterogenes Bild Zwar schafft die strukturelle Benachteiligung durch Arbeitslosigkeit und geringe Qualifizierung der Eltern, durch schlechtere Chancen im Schulsystem, das Leben in einem bestimmten Stadtteil oder einen Migrationshintergrund ähnliche Bedingungen für sozial benachteiligte Kinder, aber die alltäglichen Formen der Benachteiligung von Kindern unterscheiden sich.
Dabei zeigt eine Befragung von Jugendlichen durch das Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz gGmbH (ism), dass Jugendliche besonders häufig große Angst vor sozialem Abstieg und pandemiebedingten Bildungsnachteilen hegen. Vor allem Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien befürchten, den Anschluss zu verlieren. Die überwiegende Zahl der Jugendämter betont dabei, dass vor allem viele arme Familien besonders stark betroffen seien. Das ist auch die Gruppe, bei der sich die Erreichbarkeit durch die Jugendämter stark verschlechtert hat und Hilfe häufig nicht ankommt. Ohne Zukunftsperspektive? – Sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche Davon kommt der ganz überwiegende Teil aus dem Armutsmilieu. Im unmittelbaren Zusammenhang damit stehen die Zahlen der Schulabbrüche, die im letzten Jahr ein besorgniserregendes Hoch erreicht haben. Sie haben sich im Vergleich zu vorpandemischen Zeiten auf 100. 000 verdoppelt. Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes, befürchtet sogar eine erneute Verdoppelung der Zahlen für dieses Jahr.
Die Chancenstiftung setzt sich für bessere Teilhabechancen und mehr Chancengerechtigkeit durch die gezielte Förderung von benachteiligen Kindern und Jugendlichen in der Bildung ein. Sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche dürfen nicht ungehört bleiben und vergessen werden. Genau das motiviert auch Alexandra Holland, Bildungspatin der Chancenstiftung: " Bildung ist die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes und erfolgreiches Leben. Seit 2009 setze ich mich als Bildungs-Patin dafür ein, ungleiche Startbedingungen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern – denn ich bin der Meinung, dass alle die gleichen Chancen haben sollten. " Für Dr. Annette-Louise Hirmer, Chancenstifterin und Bildungspatin seit 2011, ist "Bildung – mit Herz und Verstand – der Schlüssel zu allem: Unabhängigkeit, Selbstverantwortung und Empathie. Basis für ein friedvolles Miteinander und Füreinander. " "Ich engagiere mich für die Chancenstiftung, um die Bildungsgerechtigkeit in unserem Land voranzubringen und Kinder stark zu machen – unabhängig von Herkunft und Elternhaus. "
Sozial benachteiligte Kinder Buchhinweise zu diesen Themen finden Sie hier 2006 "Du bist mein zweites Haus". Umgang mit Armut und sozialer Benachteiligung in Kindertageseinrichtungen - Erfahrung von Brennpunkt-Kitas nutzen 2005 Richter, A Risiko und Resilienz 2005 Stöbe-Blossey, S Bildungsbenachteiligung - Wege zur frühen Förderung im Netzwerk 2001 Hock, B. /Holz, G. /Wüstendörfer, W. Armut und Benachteiligung im Vorschulalter 1990 Becker-Textor, I. /Textor, M. R. Kinder arbeitsloser Eltern 2003 König, A. Prävention/Prozessqualität 2006 Holz, G. Armut von Mädchen und Jungen in Deutschland 2006 Wagner, P. Soziale Ungleichheit und vorurteilsbewusste Bildung in Kindertageseinrichtungen
Ergebnis: "Von ihren Eltern geliebt zu werden", "genug zu essen bekommen", "gute Freunde und Freundinnen haben" und "immer jemanden zu haben, der sich um sie kümmert" ist ihnen am wichtigsten. "Das heißt, Kinder wünschen sich für alle Altersgenossen gute Beziehungen, die Versorgung von Grundbedürfnissen, aber sie verlangen auch ein Recht auf Schulbildung, Gewaltfreiheit, Freizeit und medizinische Versorgung", sagt Andresen. Die große Bedeutung von Beziehungen zu Eltern, anderen Erwachsenen und Gleichaltrigen wird auch an anderer Stelle deutlich. Obwohl nach den für sie "wichtigsten Dingen" befragt, nennen die meisten Kinder nicht die Playstation oder das Handy, sondern mit knapp 18 Prozent zuerst Personen wie Familienangehörige und Freunde. Das bedeutet jedoch nicht, dass materielle Dinge entbehrlich sind. Der Zugang zu materiellen Ressourcen - sei es die Busfahrkarte oder die Mitgliedschaft in einem Sportverein - ist elementare Voraussetzung für soziales Wohlergehen und ermöglicht erst die Teilhabe an der Gesellschaft.
Benachteiligte Schüler profitieren von einer sozialen Durchmischung in der Klasse, wie sie durch längeres gemeinsames Lernen ermöglicht wird. Die Zusammenführung von Haupt- und Realschule, die einige Bundesländer vorangetrieben haben, geht dabei nicht zu Lasten der besseren Schüler, wie Schleicher betonte. Ein gutes, von Vertrauen geprägtes Verhältnis zwischen Schüler und Lehrkraft, ein positives Arbeitsklima im Kollegium und eine geringe Lehrerfluktuation spielen laut OECD ebenfalls eine große Rolle. Außerdem helfen außerschulische Aktivitäten. Lehrer haben keine Zeit für individuelle Förderung Als negativ bewertet Schleicher die hohen Stundendeputate, die deutsche Lehrer schultern müssen. Ihnen fehle es deswegen an Zeit außerhalb des Unterrichts, um die Beziehung zu ihren Schülern zu gestalten, sich um schwächere Kinder und Jugendliche zu kümmern und Talente zu fördern. Für Schleicher ist aber mehr Zeit für das einzelne Kind und eine individuelle Förderung der Schlüssel zum Erfolg. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann kann Schleichers Fazit nur unterstützen.