118 - Recht auf Vergessen II). Gegenstand der Berichterstattung war daher die berufliche Sphäre des Klägers, wobei der Senat nicht verkennt, dass die Kommunikationsbedingungen im Internet, insbesondere die Auffindbarkeit und Zusammenführung von Informationen mittels namensbezogener Suchabfragen, dazu führen, dass für deren Auswirkungen zwischen Privat- und Sozialsphäre kaum mehr zu unterscheiden ist (vgl. BVerfG, NJW 2020, 314, 326 Rn. 128 - Recht auf Vergessen II). Denn bei solchen Beiträgen stützt sich die Verbreitung nicht auf eine spezifische Erlaubnis für einen bestimmten Zweck, sondern wurzelt in den Kommunikationsfreiheiten und dem sich hieraus ergebenden Recht, Zwecke der Kommunikation selbst setzen, ändern oder in Bezug auf das weitere Kommunikationsgeschehen auch offenlassen zu können (BVerfG, NJW 2020, 314, 327 Rn. 132 - Recht auf Vergessen II).
Daran ändert sich auch künftig nichts. Neu ist aber – und dies ist der europarechtliche Kern des zweiten in der vergangenen Woche ergangenen Beschlusses ("Recht auf Vergessen II") –, dass das BVerfG die hier anwendbaren Chartagrundrechte ab sofort selbst anwendet und so – wie in diesem Fall geschehen – im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde unmittelbar als Prüfungsmaßstab heranzieht. Hierin liegt die Zäsur gegenüber der bisherigen BVerfG-Rechtsprechung. Das BVerfG begründet diesen – in Anbetracht bisheriger Rechtsprechung – außergewöhnlichen Schritt insbesondere damit, dass ihm selbst die Aufgabe zur "Gewährleistung eines wirksamen Grundrechtsschutzes" (Rn. 58) zukomme. Zwar bezöge sich dies ursprünglich nur auf die Grundrechte des Grundgesetzes. Allerdings fungierten die Grundrechte der Charta als "Funktionsäquivalent" (Rn. 59) der Grundrechte des Grundgesetzes. Da auf Unionsebene zudem bisher kein effektiver Individualrechtsbehelf zur Verfügung stehe (Rn. 60), falle die Gewährleistung ihres Schutzes letztlich dem BVerfG im Rahmen der Urteilsverfassungsbeschwerde zu.
29). Gelangen innerhalb mitgliedstaatlicher Gestaltungsspielräume beide Grundrechtskataloge parallel zur Anwendung, richtet sich der Grundrechtsschutz grundsätzlich nach dem jeweils höheren Schutzniveau (vgl. 53 GRC). Hierfür stellt das BVerfG nun erstmals die im Einzelfall widerlegliche Vermutung auf, "dass durch eine Prüfung am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes das Schutzniveau der Charta, wie sie vom Europäischen Gerichtshof ausgelegt wird, in der Regel mitgewährleistet ist. " (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 06. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 55) Aufgrund dieser Vermutung genießen die Grundrechte des Grundgesetzes innerhalb des Überlagerungsbereiches also einen grundsätzlichen Prüfungsvorrang, auch wenn das BVerfG ankündigt, die Grundrechte des Grundgesetzes im Lichte der Grundrechte der Charta auszulegen (Rn. 60). Recht auf Vergessen II – Eine Zäsur Sieht das umzusetzende und zu vollziehende Unionsrecht keine Gestaltungsspielräume vor, ist kein Raum für die Grundrechte des GG; sie treten zurück und machen den Grundrechten der Charta Platz.
Gegenüber den Betreibern von seriösen Webseiten sei es zumutbar, dass die Betroffenen sich zur Wehr setzten. Hingegen müsse es bei unseriösen Publikationen möglich sein, das Recht auf Vergessenwerden zu verfolgen, ohne die offensichtliche Rechtswidrigkeit von Inhalten geltend zu machen. Top-Themen Downloads Haufe Fachmagazine
C-136/17, NJW 2019, 3503, 3504 ff. 48, 66, 68, 77 i. C-131/12, NJW 2014, 2257, 2264 Rn. 94 ff. ). Diese Grundrechtsabwägung ist auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte der betroffenen Person einerseits, der Grundrechte der Beklagten, der Interessen ihrer Nutzer und der Öffentlichkeit sowie der Grundrechte der Anbieter der in den beanstandeten Ergebnislinks nachgewiesenen Inhalte andererseits umfassend vorzunehmen ( … vgl. C-136/17, NJW 2019, 3503, 3506 ff. 59, 68 f., 77; … vom 29. Juli 2019 - Rs. C-516/17, AfP 2019, 424, 430 ff. 57 f., 72, 81; … vom 14. Februar 2019 - Rs. C-345/17, NJW 2019, 2451, 2455 Rn. 65 f. ; … EGMR, NJW 2020, 295, 296 f. 89 ff., NJW 2017, 2091, 2093 Rn. 56 f. ; BVerfG, NJW 2020, 314, 322 Rn. 96 ff., 120 - Recht auf Vergessen II). Der streitgegenständliche Auslistungsanspruch ist nach dem unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrecht zu beurteilen (BVerfG, NJW 2020, 314, 316 Rn.
Kämen die unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Grundrechte auch gegenüber dem Unionsrecht zur Anwendung, wäre ansonsten die einheitliche Anwendung des Unionsrechts bedroht. Dagegen verwehrt sich auch das Grundgesetz (vgl. Art. 23 Abs. 1 GG), von dem sich der Anwendungsvorrang – nach Auffassung des BVerfG – ableitet. Solange der europäische Grundrechtsstandard im Wesentlichen also mit dem grundgesetzlichen Grundrechtsniveau vergleichbar ist, treten die Grundrechte des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab des Unionsrechts grundsätzlich zurück. Grenzen bilden allein der vom BVerfG vorgetragene Verfassungsidentitäts- und ultra-vires-Vorbehalt. Belässt das Unionsrecht jedoch Umsetzungsspielräume, bleiben die Grundrechte des Grundgesetzes insoweit anwendbar. Dieses materiell-rechtliche Verhältnis wird nun durch prozessuale Besonderheiten ergänzt: Zwar treten die Grundrechte der EU-Charta an die Stelle der Grundrechte des GG, berücksichtigt werden konnten diese jedoch "nur" von der Fachgerichtsbarkeit im Zusammenspiel mit dem EuGH.
Diese sei auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte der betroffenen Person einerseits ( Art. 7, 8 GRCh), der Grundrechte der Beklagten, der Interessen ihrer Nutzer und der Öffentlichkeit sowie der Grundrechte der Anbieter der in den beanstandeten Ergebnislinks nachgewiesenen Inhalte andererseits ( Art. 11, 16 GRCh) vorzunehmen. BGH gibt mit "gleichberechtigter Abwägung" bisherige Rechtsprechung auf Da im Rahmen dieser Abwägung die Meinungsfreiheit der durch die Entscheidung belasteten Inhalteanbieter als unmittelbar betroffenes Grundrecht in die Abwägung einzubeziehen ist, gelte keine Vermutung eines Vorrangs der Schutzinteressen des Betroffenen. Vielmehr seien die sich gegenüberstehenden Grundrechte gleichberechtigt miteinander abzuwägen. Aus diesem Gebot der gleichberechtigten Abwägung folgt laut BGH aber auch, dass der Verantwortliche einer Suchmaschine nicht erst dann tätig werden muss, wenn er von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung des Betroffenen Kenntnis erlangt.
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