Pathos der Distanz benannte Nietzsche mit prgnanter Schlagwortformel das Prinzip der Differenzierung, das einen scharfen Gegensatz zwischen herrschenden und beherrschten Menschen und Gesellschaftsklassen bedingt. Vergl. Nietzsche 7, 235 (1886): "Ohne das Pathos der Distanz, wie es aus dem eingefleischten Unterschied der Stnde, aus dem bestndigen Ausblick und Herabblick der herrschenden Kaste auf Untertnige und Werkzeuge und aus ihrer ebenso bestndigen bung im Gehorchen und Befehlen, Nieder- und Fernhalten erwchst, knnte auch jenes andere geheimnisvollere Pathos gar nicht erwachsen, jenes Verlangen nach immer neuer Distanz-Erweiterung innerhalb der Seele selbst, die Herausbildung immer hherer, seltnerer, fernerer, weitgespannterer, umfnglicherer Zustnde, kurz eben die Erhhung des Typus Mensch. " Von weiteren Zeugnissen sei noch hervorgehoben eine Stelle 8, 148 (1888): "Die Kluft zwischen Mensch und Mensch, Stand und Stand, die Vielheit der Typen, der Wille, selbst zu sein, sich abzuheben Das, was ich Pathos der Distanz nenne, ist jeder starken Zeit zu eigen. "
[3] Nietzsche setzt Vornehmheit nicht schlechthin mit Macht oder höheren Kasten gleich, sondern verficht eine "geistige Aristokratie", die hart gegen sich ist, Leid ertragen kann und das Recht der Distanz somit nicht aus der Zufälligkeit äußerer Positionen, sondern aus der Gestaltung ihrer eigenen Existenz bemisst. [1] Der Begriff wurde zunächst in moral- und kulturkritischer Bedeutung und als Gegenbegriff zur nivellierten Gesellschaft der Moderne aufgegriffen. Während es für Georg Simmel der Struktur des Vornehmheitsideals entsprach, "daß nicht die Bestätigung nach außen hin, sondern das in sich geschlossene Sein" den Rang des Menschen bestimmt, sieht Kurt Braatz in der Vornehmheit weniger eine soziologische Kategorie als eine psychische Verfassung und geht von einer Dreidimensionalität des Pathos der Distanz aus, indem er sie vertikal, horizontal und temporal gliedert. [1] Im Bereich der Ästhetik hat Nietzsches Konzeption nachhaltig gewirkt; ähnlich wie in der Soziologie und Psychologie wird hier indes meist auf den Vorbegriff des Pathos verzichtet und nur von Distanz gesprochen.
Als herausragendes Beispiel für einen Philosophen, der sein Leben der Suche nach Wahrheit widmet, erscheint ihm Heraklit, obwohl auch Pythagoras und Empedokles kurz erwähnt werden. Heraklit ist für Nietzsche "der wahre Erfüller und Vollender jenes delphischen Satzes ' Erkenne dich selbst '". Gleichzeitig sieht er in ihm menschenfeindliche Züge: "Denn die Welt braucht ewig die Wahrheit, also braucht sie ewig Heraklit, obschon er ihrer nicht bedarf. " Der Essay schließt mit einer kurzen Bezugnahme auf die Kunst: "Die Kunst ist mächtiger als die Erkenntnis, denn sie will das Leben, und jene erreicht als letztes Ziel nur – die Vernichtung. " Nietzsches Essay Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn von 1873 kann als Fortsetzung der Ersten Vorrede über das Pathos der Wahrheit verstanden werden. [2] Für Volker Gerhardt ist Pathos der Distanz als Motiv schon in Nietzsches Frühwerk angelegt und seine kulturstiftende, "weil individualisierende" Bedeutung zwischenmenschlicher Distanzierung erkennbar.
«Infektion! » – der Name des kleinen Festivals für Neues Musiktheater, das seit 2011 die Spielzeit der Berliner Staatsoper beschließt, klingt kokett, doch Intendant Jürgen Flimm trifft den Nagel auf den Kopf. Hier sucht er das von Musikchef Daniel Barenboim mit Tradition aufgeladene Provisorium «Schiller Theater»... Cherubino und Dorabella auf der einen Seite, auf der anderen Strauss' Komponist und Octavian, wie jetzt in Salzburg, sogar Fricka: Das schwerere Fach mit Mozart-Technik singen, das ist ein Rezept, dem die 45-jährige französische Mezzosopranistin Sophie Koch bis heute folgt. Christa Ludwig meint, als Mezzo-Sopran könne man überall dabei sein und alle ständig ärgern. Hat sie Recht? Es stimmt schon, dass man als Mezzo ein bisschen lockerer bleiben kann. Bloß als Octavian, der die ganze Zeit auf der Bühne steht, nützt einem das auch nicht viel. Ich gebe gern zu, dass ich manchmal ein bisschen neidisch auf die Soprane bin – und auf die...