Titel: 53. Biennale Venedig · von Susanne Boecker von Susanne Boecker · Kurator: Dundee Contemporary Arts Judith Winter & Graham Domke / Ort: Palazzo Pisani Santa Marina, Cannaregio 6103 (Calle delle Erbe) Martin Boyce – "No Reflections" In der mehrteiligen Raumfolge des Palazzo Pisani hat Martin Boyce einen "gefrorenen Garten" eingerichtet. Eine winterlich-verlassene Szenerie, möbliert mit diversen, äußerst unfunktional wirkenden Möbeln. Man betritt den Garten über die Trittsteine des trockengelegten Pools, in dem sich Laub angesammelt hat. Auch in die anderen Gartenräume hat der Wind einzelne Blätter gefegt. Es gibt einen verlassenen Vogelnistkasten, ein Tischgestell ohne Platte, eine Liege mit aufgerollter Metallauflage. Die Bänke stehen – zum Schutz des Holzes vor der Witterung? – hochkant im Raum. Und von den Decken hängen keine Kristallleuchter, sondern merkwürdige Aluminiumbäume. Alle gestalteten Elemente der Installation weisen die eckig gebrochenen Strukturen auf, die seit einigen Jahren typisch sind für die Arbeiten von Martin Boyce.
Allerdings wird dieses Ambiente von Martin Boyce auch hier formalisiert: Die Gestelle der Bänke sind Arbeiten des französischen Designers Jean Prouvé nachempfunden, die Neonröhren kommen zwar aus dem Baumarkt, stehen aber da wie feinziselierte Strichzeichnungen oder steife Insektenarme. Und gleich im nächsten Raum sieht man die Einzelteile eines berühmten, taillierten, hier aber nun auseinandergebrochenen Stuhls des Möbelkonstrukteurs Arne Jacobsen, die wie ein Mobile von Alexander Calder von der Decke hängen. Das sind die beiden Ebenen, mit denen diese Ausstellung spielt: einerseits ein sozialer, meist städtischer Ort wie ein Kinderspielplatz, der nachts zur Kontaktbörse wird - Martin Boyce erinnert sich offenbar gern an seine Pubertät. Und es gibt eine kunsthistorisch-formale Ebene, wo Design-Klassiker zitiert und weiterverarbeitet werden, sagt Kurator Sören Grammel. "Wir haben eine große Vielfalt an Bildern, aber die einzelnen Teile gehen auf eine Reihe von ganz einfachen Grundformen zurück, die er aus einem Entwurf abgeleitet hat - von vier Betonbäumen, die 1925 von zwei französischen Bildhauern und Architekten für eine Pariser Industrieausstellung gebaut worden sind. "
Große Tore oder Screens, die die urbanen Landschaften von Boyce strukturieren und Parcours oder individuelle Räume schaffen, verbinden architektonische und urban e Referenzen. Während Zäune, Tore, Fenster – zum Teil aus umgedrehten Bänken, Metallgittern oder Ketten entstanden, an temporäre Häuser oder Barackenstädte erinnernd – ein wiederkehrendes Motiv waren, artikulieren diese neuen Arbeiten den steten Einfluss der traditionellen japanischen Architektur und inspesondere deren als Raumteiler fungierenden Schiebetüren. Gleichzeitig ruft die Transluzenz die Wirkung von Vorhängen hervor, die paradoxerweise die großen Glasfenster modernistischer Gebäude verhängen und das, was als Architektur der Transparenz konzipiert war, verschwimmen lassen. Martin Boyce hat ikonische Designobjekte überarbeitet und neu formuliert und seine eigene Bildsprache entwickelt, die auf einer Lesart der formalen und konzeptionellen Geschichten von Kunst, Design, Architektur und Stadtplanung basiert. Boyces Ausstellungen haben oft die Form von verzauberten Landschaften, die von leicht lakonischen Zeugen vergangener Stadtentwicklungsprogramme bewohnt erscheinen, aber auch das Formenvokabular des zeitgenössischen Urbanismus mit Momenten unerwarteter Zärtlichkeit und Schönheit füllen.
Veröffentlicht am 06. 12. 2011 Martin Boyce hat den Turner-Preis gewonnen Quelle: REUTERS/NIGEL RODDIS Der schottische Künstler Martin Byce erhält den Turner-Preis für drei Bäume aus Wachs und Krepp. In seiner Dankrede sparte er nicht mit Kritik. D er schottische Künstler Martin Boyce ist mit dem renommierten britischen Turner-Preis ausgezeichnet worden. Der 43-Jährige erhielt den mit 25. 000 Pfund (29. 200 Euro) dotierten Kunstpreis im Baltic Centre for Contemporary Art in Gateshead im Nordosten Englands. Bei der Zeremonie gab sich Boyce kritisch: Er betonte unter Verweis auf die Kürzungen im Bildungsbereich die Bedeutung seiner Lehrer für ihn und seine Kunst. Boyce wurde für eine Installation ausgezeichnet, die drei künstliche Bäume und mit Wachs überzogene Krepppapierblätter umfasste, die über den Boden der Galerie verstreut lagen. Der Turner-Preis, der erstmals 1984 zur Förderung neuer Entwicklungen in der britischen Kunst ausgelobt wurde, gilt als einer der innovativsten Kunstpreise.