Dies wiederum interpretiert Tessa als eindeutiges Zeichen für die Schuld Elenas und reist ihr nach, um die bösartige Entführerin zu stellen. Was sich nun ereignet, ist aus vielerlei Gründen problematisch. Ein Atem bleibt in eben jenem patriarchalen System stecken, das der Film zu kritisieren versucht. Während sich die Vorwürfe mehren, Tessa hätte niemals wieder arbeiten gehen dürfen, und sich die arme Frau zusätzlich zu den Sorgen um die Tochter auch noch mit Selbstzweifeln quälen muss, bleibt Vater Jan ( Benjamin Sadler) stets eine integre Randfigur. Weder den Protagonist_innen der Geschichte, noch dem Film selbst kommt in den Sinn, dass ja auch er beruflich hätte kürzer treten und eine Vaterrolle übernehmen können, die über eine Gute-Nacht-Geschichte und Ratschläge (oder Anordnungen? ) an die Kindsmutter hinausgeht. Zwar deutet sich kurz das Ungleichgewicht dieser Beziehung an, wenn Jan seiner Gattin noch einmal darlegt, das sein Einkommen doch für beide reiche, doch wird Tessas nachvollziehbare Abwehrreaktion durch einen hysterischen Ausbruch unterminiert.
Eine besonders brenzlige Situation ergibt sich, als dieser sie gegen ihren Willen statt ins Hotel in seine Wohnung bringt. "Sie kommen jetzt mal mit zu mir" – das ist alles, was es braucht, um Tessas Wunsch zu übergehen. Und Christian Zübert kommt auch nicht in den Sinn, diesen Übergriff auch nur ansatzweise als einen eben solchen zu inszenieren. An dieser Stelle zeigt sich das strukturelle Problem des Films sehr deutlich. Während auf inhaltlicher Ebene die unterschiedlichen und oft widersprüchlichen Anforderungen an die Frauen* der Geschichte durchaus problematisiert werden, versäumt Ein Atem, seinen Blick auch auf die Männer* zu richten. Tessas Ausweglosigkeit, die Falle, weder eine gute Mutter noch eine erfolgreiche Geschäftsfrau* sein zu können, ist ausschließlich ihr Problem. Die Rolle des Vaters bleibt in dieser Konstellation vollkommen unberücksichtigt. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als nur blanker Hohn, wenn Partygäste ausschließlich Tessa und nicht Jan dafür loben, wie sie "das alles" schaffe, denn auch der Film scheint eine veränderte Rollenverteilung nicht als valide Lösung anzusehen.
Kind oder Karriere – das ist die Frage, die sich angeblich jede Frau in ihrem Leben einmal stellen muss. Vielleicht stimmt das sogar. Vielleicht ist das wirklich ein Problem unserer Gesellschaft, das es zu lösen gilt. Aber Christians Zübert s Film Ein Atem wird uns dabei nicht helfen. Zwei Frauen, zwei Kinder, zwei Karrieren Züberts Geschichte zweier ungleicher Frauen und ihrer (ungeborenen) Kinder macht vieles richtig und doch so viel falsch. Zübert erzählt von der jungen Griechin Elena ( Chara Mata Giannatou), die vor den prekären Verhältnissen ihrer Heimat nach Deutschland flieht, um dort ein besseres Leben zu führen. Doch eine ungeplante Schwangerschaft droht ihr einen Strich durch die Rechnung zu machen. Und wie soll sie an das Geld für eine Abtreibung kommen? Als Kindermädchen der wohlhabenden Kleinfamilie von Tessa ( Jördis Triebel) wird Elena schließlich mit eben jenen Verhältnissen konfrontiert, nach denen sie sich sehnt: ein großes Loft, Bio-Nahrung für das Kleinkind und alles was mensch sich sonst noch für Geld kaufen kann.
Besetzung Rolle: Darsteller: Jan Benjamin Sadler Tessa Jördis Triebel Elena Chara-Mata Giannatou Autor: Christian Zübert Regie: Redaktion: Carlos Gerstenhauer Spielfilme im BR