" Emphatische Lucia " (Dominik Troger) Kalt ist es in Schottland, Lucia friert. Alisa bringt ihr ein Paar Wollhandschuhe vorbei. Der weiße Bühnenschnee erstarrt in emotionaler Kälte. Bei diesem trostlosen Wetter muss man ja wahnsinnig werden. Die aktuelle "Lucia di Lammermoor"-Produktion der Wiener Staatsoper ist ein Erbstück der Direktion Dominique Meyer. Es handelt sich um eine Inszenierung von Laurent Pelly, die von der Opera Philadelphia nach Wien geholt wurde. Premiere war im Februar 2019. Seither wurde das Werk nicht mehr an der Staatsoper gespielt. Doch auch nach drei Jahren hat sich der Eindruck, den die Inszenierung hinterlässt, nicht gebessert. Pellys Sicht der Dinge ist die auf eine Winterlandschaft. Kalt ist es in Schottland. Singles aus Rheinland-Pfalz - Single-Städte in Rheinland-Pfalz. Vielleicht phantasiert sich Lucia im eisigen Gefühlsnotstand eine Liebesgeschichte herbei? Dazu gesellen sich allerhand handwerkliche Missgriffe wie die durch Kulissenelemente künstlich verkleinerte Bühne im Hochzeitsbild, das dem Chor zu wenig Platz lässt (Bühne: Chantal Thomas) oder der "Zwischenvorhang" im Turmbild.
Die Auftritte des Chores sind durchwegs schlecht gelöst. Die wichtigen Personen halten sich zu oft am Bühnenrand auf. Das Bühnenbild bildet zudem zur rechten Seite hin einen kleinen Hügel. Als Landschaftselement ist er verständlich, als Teil der Schlossarchitektur seltsam – und die Sänger werden im Spiel behindert und müssen aufpassen, dass sie nicht ausrutschen. Wahnsinnsszene enthält ein paar unnötige "Beigaben". Warum muss sich Lucia auf den Boden legen, warum über Sessel balancieren? Dabei strauchelt sie fast – ein Regiegag in die Koloraturen eingepasst. Musikalisch breit getragen kreuzworträtsel. Aber vor dem Hintergrund der fragwürdigen Regiemoden, denen sich die derzeitige Staatsopern-Direktion geneigt zeigt, handelt es sich um eine geradezu handzahme Produktion und der Inhalt bleibt erkennbar. Trotzdem werden sich viele Besucher noch an die alte Inszenierung von Boleslaw Barlog in den Bühnenbildern von Pantelis Dessyllas erinnern. Sie stammte aus dem Jahr 1978 und wurde bis 2012 über 150mal gespielt – und würde immer noch gute Dienste leisten.
In der Vorstellung am 16. April wurde sie im ersten Teil der Wahnsinnsarie von einer Indisposition gestreift, worauf sie diesen ohne Spitzenton abschloss, um sich danach mit einem schnellen Schluck aus einer Wasserflasche zu behelfen, die ihr Edgardo auf die Bühne geschmuggelt haben dürfte. Im Finale riskierte sie dann doch noch kurz das vom Publikum erwartete "hohe Es". In der Aufführung vom 24. April nützte die Sängerin praktisch alle Möglichkeiten, um hohe Effekttöne einzulegen. In der Kavatine des zweiten Bildes hat sie in dieser Vorstellung noch ein wenig die Bestform gesucht, ehe ihr dann eine souverän durchgestaltete Wahnsinnsszene gelang. Benjamin Bernheim gab den Edgardo. Bernheims Tenor besitzt ein leicht baritonales Leuchten und viel Energie. Sein Edgardo beschwor volltönend die Virilität von glanzvollen Tenorstimmen alter Opernzeiten – und alleine das ist heutzutage schon ein rares Vergnügen. Aber sein Wiener Rollendebüt als Lucias Lover kam vielleicht um ein paar Jahre zu spät.
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