GESCHICHTE Lachen mit Stalin Martin Amis hat ein paar Fragen an die jüngere Geschichte Im Januar 1934 verabschiedete sich die Partei von der Wirklichkeit und bezog das Psychotheater in Stalins Kopf. " Derart rotzig kann nur ein Schriftsteller über den 17. Parteitag der KPdSU schreiben. Der Engländer Martin Amis ist ganz gewiss kein Historiker. Koba der Schreckliche - Die zwanzig Millionen und das Gelächter folgt einem eher britischen Gedanken: Warum kann man bis heute Witze über Stalin (Spitzname: Koba) machen, über Hitler aber nicht? Gerade in Deutschland klingt diese Frage etwas dämlich. Das Buch ist allerdings klüger als seine Fragestellung. Auf den ersten 80 Seiten prügelt sich Amis noch ein bißchen mit der eigenen Biografie und der Geschichte der englischen Linken herum, aber dann wird seine Notizensammlung (wie er das im Vorwort nennt) zu einem großen Essay, einer bösen Abrechnung mit den linken Intellektuellen, die schon von Lenin verachtet ("Sie sind nicht das Herz, sie sind die Scheiße Rußlands") und dann von Stalin an die Wand gestellt wurden.
Neue Zürcher Zeitung, 08. 10. 2007 In Martin Amis' Buch steht die Persönlichkeit und die Psyche Stalins, der Stalin-Kult, die psychische Verfassung eines ganzen Landes und schließlich die "befremdliche" Reaktion, die der Diktator insbesondere bei westlichen Intellektuellen auslöste, auf dem Prüfstand, konstatiert Rezensent Martin Meyer im Aufmacher der Buchmessenbeilage. In einer "Art von Collage" hat der Autor Zitate und Analysen nebeneinander gestellt, lässt Zeitzeugen, historische Dokumente und Statistiken das komplexe Bild von Stalin und dem Terror, mit dem er das Land überzog, zusammensetzen, erklärt der Rezensent. Für ihn sticht das Werk aus anderen Büchern über Stalin hervor, weil sich hier kein Historiker, sondern ein Schriftsteller Gedanken über die "negative Perfektion" des stalinistischen Terrors macht. Denn Amis versucht in der Konstruktion seines Buches den so gar nicht linearen Verlauf von Stalins Lebensweg nachzuvollziehen und dabei auch die Willkür eines Systems augenfällig zu machen, dessen Ideologie sich gänzlich auf Gewalt und Angst stützte, so der mit dieser Beobachtung absolut einverstandene Rezensent.
Moskau, 1956: Stalin ist seit drei Jahren tot, als der neue KPdSU-Generalsekretär Nikita Chruschtschow auf dem 20. Parteitag mit seinem Vorgänger abrechnet. Inmitten einer Auflistung der Stalin'schen Gräueltaten - der Ausrottung des Großbauernstandes, der Aushungerung der Ukraine, der Lager, der Säuberungen, der Schauprozesse - zitiert er den Stalin-Ausspruch, es gebe "trotz all meiner Bemühungen" immer noch zu viele Ukrainer. Lakonisch verzeichnet das Protokoll die Reaktion des Saals: "Gelächter". Hier lässt der britische Romancier Martin Amis Gnade vor Recht ergehen: Das Lachen der Parteigranden interpretiert er als kollektive Erleichterung. Warum aber, fragt Amis in seinem nun auf Deutsch erschienenen Buch "Koba der Schreckliche", glaubte und glaubt auch sonst alle Welt, über Stalins monströse Verbrechen lachen zu dürfen? Warum bleibt uns das Gelächter über den "Kleinen Schnurrbart" (Hitler) im Halse stecken, während es uns im Fall des "Großen Schnurrbarts" so leicht über die Lippen geht?
Bibliografische Daten ISBN: 9783446208216 Sprache: Deutsch Umfang: 288 S., mit Bildteil Format (T/L/B): 2. 8 x 21. 9 x 15. 2 cm gebundenes Buch Erschienen am 04. 08. 2007 Beschreibung Ein aufrüttelndes Buch über die Schrecken des 20. Jahrhunderts. Martin Amis behandelt neben der Judenvernichtung im "Dritten Reich" das Jahrzehnte währende Terrorregime Stalins. Er beschreibt die Massaker des Bürgerkriegs, die große Hungersnot von 1922, die Säuberungen der 30er Jahre, die Schauprozesse und schließlich den Tod des Diktators. Und er beschäftigt sich mit der Frage nach dem Unterschied zwischen Hitler und Stalin. Ein fulminantes Buch, geschrieben mit Zorn und Furor, und eine wütende Attacke gegen die westlichen Intellektuellen, die geschwiegen und die Gräuel verharmlost haben, noch lange nachdem schon alles bekannt war. Autorenportrait Martin Amis, 1949 in Swansea? /? Wales geboren, wurde schon mit seinem ersten Roman berühmt. Weitere erfolgreiche Romane und Erzählungsbände folgten. Zuletzt erschienen bei Hanser Yellow Dog (Roman, 2004), Die Hauptsachen (2005), Koba der Schreckliche (2007), Haus der Begegnungen (Roman, 2008) und Die schwangere Witwe (Roman, 2012).
Koba der Schreckliche: die zwanzig Millionen und das Gelächter / Martin Amis. Aus dem Engl. von Werner Schmitz Die vehemente Abrechnung des britischen Romanciers Martin Amis vermischt autobiografische Elemente mit historischen Fakten über die Schreckensherrschaft Stalins.
Bald darauf starb er, und Stalin benannte ein Lager nach ihm – nach Maxim Gorki, der vorher den Umgang mit den Häftlingen im Gulag angeprangert hatte. Eine weitere Anekdote, die so fiktiv klingt, als wäre sie aus einem Roman. Amis liebt den zerstörenden Effekt, den er auf den Mythos des stalinistischen Sozialismus anwendet; er erreicht ihn durch messerscharfe Pointen. Man kann aber nicht ausschließen, dass Amis der Effekt wichtiger ist, als die Wahrheit. Martin Amis: Koba der Schreckliche. Die zwanzig Millionen und das Gelächter. Hanser 2007
Dass Stalin für soviel Grauen so viel Achtung und Liebe erfuhr, ist eines der großen Rätsel in der Geschichte. Auch vor diesem Hintergrund zitiert Amis den (späteren) Oppositionellen Sacharow, der bekannt hatte, über Stalins Tod geweint zu haben; Amis legt dem von einem Schlaganfall dahingestreckten Stalin, der sich hilflos über den Boden wälzt, einen anderen Gedanken nahe: "Zweifellos hatte er genügend Zeit gehabt, über eine unangenehme Tatsache nachzudenken: Die Kremlärzte wurden gerade gefoltert, und sein langjähriger Leibarzt Winogradow war überdies (auf Stalins eigenen Befehl) 'in Eisen' gelegt. " Es ist nicht schön, dass der deutsche Verlag schreibt, dies hier sei "Amis' neues Buch", denn es erschien bereits 2002, vor Yellow Dog und Die Hauptsachen, die längst vorliegen. Der Hanser Verlag versäumt es zudem, Amis' Fragen "Warum ernennt niemand Stalin zum größten Verbrecher aller Zeiten? " in Deutschland in einen richtigen Zusammenhang zu bringen und einzuordnen. Gerade hier sind auf diese Frage schon viele falsche Antworten gegeben worden.
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