Philosoph Konrad Paul Liessmann © APA/GEORG HOCHMUTH Der Philosoph Konrad Paul Liessmann über Krisenhilfe durch Stoiker, die kreative Macht der Einsamkeit und das Ende der Zerstreuungskultur. Interview: Angelika Hager profil: Bei welcher philosophischen Richtung findet man im gegenwärtigen Ausnahmezustand Trost? Konrad Paul Liessmann: „Denken ist eine einsame Sache“ | DiePresse.com. Liessmann: "Der Trost der Philosophie" heißt tatsächlich ein Werk von Boethius, der in der Spätantike als Berater des Gotenkönigs Theoderich in Ungnade gefallen war und im Kerker, wo er auf seine Hinrichtung wartete, den fiktiven Dialog eines Menschen in Not mit der Philosophie, die als Frau erscheint, verfasste. Interessanterweise suchte Boethius, der schon Christ war, in seinen letzten Stunden nicht in der Religion Trost, sondern in der Philosophie. profil: Und was genau hat die Philosophie in dieser Extremsituation als Schmerzlinderung anzubieten? Liessmann: Die Philosophie erklärt Boethius, dass er gerade jetzt erkennen könne, wie schnell sich die Wertigkeiten wandeln, und dass vergängliche Dinge wie Macht, Ruhm, Besitz, aber auch Gesundheit kein Garant für das Glück sein können.
Haben Sie einen Finanzfahrplan oder gehen Sie lieber auf Risiko? Ich hatte nie einen Finanzplan und ich ging nie ein Risiko ein. Mir war immer wichtig, so viel Geld zu haben, dass ich im Alltag darüber nicht nachdenken muss. Oder anders formuliert: Geldfragen waren und sind mir lästig. Was halten Sie dann heute noch für ein sinnvolles Investment? In oder mit Geld zu investieren - das ist mir fremd. Wenn ich etwas riskiere, dann einen Gedanken. Ich investiere meine Energie in meine Arbeit, in das Schreiben meiner Bücher. Sollten die dann auch ein bisschen Geld abwerfen - na, umso besser. Was haben Sie von zu Hause aus im Bezug auf den Umgang mit Geld mitbekommen? Es war immer zu wenig davon da. Und es wurde ständig genau darüber gestritten. Deshalb wollte ich das Geld aus meinem Leben in Hinkunft verbannen. Wissen Sie noch, wofür Sie Ihr erstes selbstverdientes Geld ausgegeben haben? Konrad Paul Liessmann: "Wenn ich etwas riskiere, dann einen Gedanken" | trend.at. Aber ja. Ich flog, obwohl Mitglied einer linken Studentengruppierung, im Sommer in das damals noch faschistische Spanien, um mir unter anderem einen Stierkampf anzusehen.
In einer ähnlichen Situation befinden wir uns gerade. Kierkegaard mokierte sich schon im frühen 19. Jahrhundert über jene Menschen, die ständig vor sich selbst fliehen, dauernd reisen und sich wie besessen in jede Art von Vergnügung stürzen, nur um sich nicht selbst begegnen zu müssen. Solche Menschen, so Kierkegaard, der ein scharfer Beobachter war, begreifen nicht, dass sie sich selbst bei all diesen Fluchtversuchen immer mitnehmen. Die beste Zerstreuung kommt laut Kierkegaard nicht von außen, sondern von innen profil: Die Chance zur Selbsterkenntnis wird durch die vielen virtuellen Zerstreuungsmöglichkeiten möglicherweise blockiert. Liessmann: Auch der virtuelle Raum hat seine Grenzen. Liessmann: "Jetzt können wir uns nicht entgehen" | profil.at. Die beste Zerstreuung kommt laut Kierkegaard nicht von außen, sondern von innen. Er schildert einen Gefangenen im Kerker, der neben vielem anderen auch an tödlicher Langeweile leidet. In seine Zelle hat sich eine Spinne verirrt. Er beginnt, diese Spinne zu beobachten, wobei ihr Verhalten für ihn zu einem großen Abenteuer wird, spannender als jeder Krimi.